Inhalt:
1918-1938
Die Grenze nach Norden
Die wirtschaftliche Lage des Mühlviertels
Was ist in der Zwischenkriegszeit im Mühlviertel passiert?
Mühlviertler Kunstgeschehen in der Zwischenkriegszeit
Politische Aktivitäten
1938-1945
Blitzlichter auf ein siebenjähriges Intermezzo
1945-1955
Besatzungszeit im Mühlviertel
1955-2000
Die unmittelbare Vergangenheit
Das Mühlviertel 1918-2000
Die Geschichte des Mühlviertels geht etwas anders als die übrige Landesgeschichte.Wie kann das bewiesen werden? Ganz einfach, es gibt eine starke Trennlinie, das ist die Donau, die schon immer zwei Welten getrennt hat. Blicken wir nur zurück. Sie trennte die Römische von der Barbarischen, die Welt der Felder von denen der Wälder, oder sie war gar einmal Grenze zwischen den USA und der UdSSR.
Aber auch in anderen zeitlichen Abschnitten ist in der Entwicklung vielfach keine Kongruenz zu bemerken. Der Grund dafür ist einerseits die eindeutige Abgrenzung, zu der die Donau einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Das Mühlviertel ist jener Landesteil Oberösterreichs, der nördlich der Donau liegt. Mit dieser Aussage konnte und kann sich jeder etwas vorstellen. Ein weiterer Grund ist auch die Grenzlage zur Tschechoslowakei, die gerade in den Jahren nach 1918 bestimmend für das Mühlviertel wurde. So kann die Geschichte des Mühlviertels ohne einen Blick auf Böhmen zu werfen nur eine unvollständige sein. Politische und gesellschaftliche Entwicklungen in unserem Nachbarland haben auch bei uns im Mühlviertel immer eine gewisse Resonanz hervorgerufen. Manche behaupten auch, dass die Mühlviertler ein eigener Menschenschlag sind, dafür gibt es aber keinerlei gesicherten Beweise, daher werden wir diesen Aspekt vollkommen unberücksichtigt lassen.
1918-1938
1918 stand das Mühlviertel mit dem Rücken plötzlich zur Wand. Eine Grenze, die Jahrhunderte praktisch nicht existent war, wurde über Nacht Realität. Am 17. November 1918 richtete der in Krumau aus Vertretern aller Gerichtsbezirke gebildete Nationalausschuss für den Gau Böhmerwald eine Grußadresse an die provisorische Landesversammlung für Oberösterreich in Linz, die ihrerseits ihre Absicht aussprach, "die an Oberösterreich angrenzenden deutsche Gebiete Südböhmens staatsrechtlich und administrativ mit dem Lande Oberösterreich zu vereinigen". Dazu kam es nicht. Im Lauf des Dezembers besetzte tschechisches Militär die Grenzregionen. In Kaplitz kam es in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1918 zu einem größeren Scharmützel, bei dem die Deutschen dem tschechischen Militär unterlegen war und angeblich über Martetschlag nach Österreich flüchten mussten. Die oberösterreichischen Behörden haben sich dezidiert aus diesem Konflikt herausgehalten. Die Mühlviertler Bevölkerung und besonders die Freistädter waren aber äußerst beunruhigt. Ich zitiere einen Eintrag in der Schulchronik des Marianums in Freistadt: „Der 3. Dezember brachte große Aufregung auch für die Freistädter. Hieß es doch, die Tschechen seien im Anmarsch gegen Freistadt. ... Da sich die Volkswehr von Kaplitz dem Anmarsch der böhmischen Legionäre widersetzte, feuerten diese einige Kanonenschüsse auf die Kirche ab, wodurch diese und die Schule nicht unerheblich beschädigt wurden. Am 3. Dezember kamen einige 100 (Kaplitzer) Volkswehrmänner im raschen Marsch nach Freistadt ...“1
Die Grenze nach Norden
Nach all diesen Anzeichen glaubten nun viele Freistädter, dass es die Tschechen auf auf Freistadt abgesehen hätten. In Freistadt stand ja noch das riesige Kriegsgefangenenlager, das praktisch ohne Schutz für bewaffnete Plünderer offen stand. Ähnliches ist ja mit den Lagern in Niederösterreich, in Gmünd und in Feldberg, passiert. Der Freistädter Bezirkshauptmann Dr. Groterjahn versuchte nun die Bevölkerung zu beruhigen. Es wird alles getan, dass kein Schuss fällt. „Die dieses Problems muss politisch und kann und darf nicht militärisch gelöst werden,“ war die Einstellung der Behörden. Einige Hitzköpfe, zu diesen gehörte auch der Fachleherer und Heimatforscher Florian Gmainer aus Freistadt, wollten unbedingt die Schule bewachen. Der Direktor des Marianums duldete ihre nächtlichen Streifzüge.
Die Tschechen kamen nie bis Freistadt, sie akzeptierten die historische böhmische Grenze. Die Furcht der Mühlviertler war aber damit noch nicht beseitigt. Es begannen Landkarten zu kursieren, auf denen die Mühlviertler Ortsnamen tschechisiert waren. So hieß Freistadt Zahlov, nach dem Ortsteil Zaglau. Man fürchtete eine Tschechisierung des Mühlviertels, was natürlich illusorisch war. Aber jeder noch so kleine Versuch von Tschechen hier Fuß zu fassen, wurde als Kolonisationsversuch gewertet. Besonders die Übernahme von verschuldeten Mühlviertler Bauernhöfe durch tschechische Bauern war äußerst verpönt.
Am 22. Mai 1919 wurden zwischen Österreich und der Tschechoslowakei Zollgrenzen errichtet. Im August 1919 wurden die ersten Grenzsicherungsarbeiten gemacht. Die politische Bezirksverwaltung in Kaplitz erließ folgende Kundmachung: „Um das unbefugte Überschreiten der Grenze zu verhindern, werden die Wälder an den Grenzen in der Breite von 600 Schritt als gefährliche Waldgrenze erklärt.“ Diese Kundmachung musste an den zahlreichen grenzüberschreitenden Straßen, Wegen und Steigen angebracht werden. Ferner wurde „im Einvernehmen mit den Waldbesitzern die Grenzen mit einem weißen, entsprechend breiten Kalkstreifen versehen.“ Die Behörden sahen sich veranlasst, die Bevölkerung hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine Staatsgrenze handelt, die nicht ohne weiteres, wie früher, überquert werden kann. Am 10. September 1919 werden im Friedensvertrag von St. Germain der „Böhmerwaldgau“ bzw. der Kreis „Deutsch-Südböhmen“ der Tschechoslowakei zugesprochen.
Diese Situation war den Mühlviertlern besonders in den nördlichen Grenzgemeinden völlig neu. Das hat es schon seit Menschengedenken nicht mehr gegeben. Vieles musste neu geregelt werden: wie haben sich die Landwirte zu verhalten, die in beiden Staaten Grundbesitz hatten, wie die Gewerbetreibenden, die hüben und drüben Geschäfte machen wollten. Entlang der neuen Grenze entstanden zahlreiche Zollhäuser, die teilweise jetzt noch in Verwendung sind. Und mit der Grenze und deren Überwachung florierte der Schmuggel. Die damalige Tschechoslowakei kannte praktisch nicht jene Wirtschaftskrisen, die Österreich durchmachen musste. Daher wurde auch auf den vermeintlichen Wohlstand der Tschechen mit Neid und Missgunst geblickt. Viele Konsumgüter waren jenseits der Grenze viel billiger oder überhaupt nur dort erhältlich, sodass sich das Schwärzen durchaus lohnte. Sacharin und Schuhe, die weltberühmten Bata aus dem mährischen Zlin, waren wohl die meist geschmuggelten Objekte. Innerhalb weniger Jahre normalisierte sich aber die Situation an der Grenze. Man gewöhnte sich an die Grenzbalken und an die Kontrollen.
Die wirtschaftliche Lage im Mühlviertel
Das Mühlviertel bekam wieder vermehrt die Nachteile einer Randlage zu spüren. Die ohnehin nicht rasante Wirtschaftsentwicklung Österreichs ging an diesem Landstrich völlig ohne Spuren vorüber. Die wirtschaftliche Lage der Landwirte war von einer großen Absatzkrise gekennzeichnet. Vor allem die mangelnde Exportmöglichkeit nach Deutschland machten z. B. Holz oder Vieh auch nicht zu miserablen Preisen verkäuflich. Gerade in den 1930er Jahren litt dann auch das lokale Gewerbe unter der mangelnden Kaufkraft der Bevölkerung. Ein Indikator für die katastrophale wirtschaftliche Lage der Landwirte sind die gerichtlich zur Versteigerung ausgeschriebenen Realitäten. Im Gerichtsbezirk Freistadt (Freistadt, Pregarten und Unterweißenbach) waren dies
1933 55 Bauernhöfe
1934 46 Bauernhöfe
1935 38 Bauernhöfe
1936 34 Bauernhöfe
1937 25 Bauernhöfe
Auch die Arbeitslosigkeit war ein Hauptproblem dieser Zeit. So waren im Bezirk Freistadt im Dezember 1933 über 1100 Personen ohne Arbeit, im Jänner 1937 wurde nach saisonbedingten Schwankungen die 1200er Marke erreicht. Im Laufe des Jahres 1937 griffen dann verschiedene arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, so waren an die 600 Personen beim Straßen- und Güterwegbau beschäftigt, 117 Arbeitslosen fanden Arbeit beim Freistädter Kasernenbau. Entgegen der weit verbreiteten Legendenbildung war unmittelbar vor dem Anschluss also die Arbeitslosigkeit nicht mehr das dominierende Problem, wie sie es in den vorhergehenden Jahren war.
Was ist in der Zwischenkriegszeit im Mühlviertel passiert?
Sehen wir uns einige Ereignisse in den Gemeinden des Mühlviertels in der Zwischenkriegszeit an. Wie wenig das Mühlviertel damals für „Schlagzeilen“ sorgte, zeigen auch die äußerst dünnen Eintragungen in der Landeschronik. Hier eine vollständige Liste der Eintragungen:
1921 21. 6. Der Mühlviertler Johannes Schober (1874-1932) wird Bundeskanzler.
1921 3. 7. Eröffnung des Hilfskraftwerkes Partenstein
1925 30. 10. Inbetriebnahme des Kraftwerkes Ranna
1926 25. 7. In Mollmannsreith (Gemeinde Oberkappel) brennen 24 der 29 Häuser nieder.
1926 14. 11. Eröffnung des Urnenfriedhofs in Urfahr
1928 21. 5. Langfierling bei St. Leonhard wird eine Raub der Flammen (4 Häuser gerettet).
1928 15. 6. Ulrichsberg wird zum Markt erhoben
1929 20. 10. Großkundgebung des sozialdemokratischen Schutzbundes in Waxenberg.
1931 24. 4. Großbrand in Neufelden, 17 Häuser werden vernichtet.
1932 7. 7. Ried in der Riedmark wird Markt
1932 23. 7. In Kollerschlag werden bei einem Großbrand 21 Häuser vernichtet.
1933 21. 4. Ein Toter in Holzschlag (Bez. Rohrbach) bei Auseinandersetzungen zwischen Heimatschützeren und Sozialdemokraten.
1933 29. 10. Baubeginn der Christkönigskirche in Urfahr.
1934 25. 7. In Krieglbach bei Julbach dringen Angehörige der Österreichischen Legion über die Grenze. Es gibt einige Tote und Verschleppte.
1936 22. 5. Nationalsozialistischer Anschlag auf Schloss Waxenberg, ein Toter, zwei Schwerverletzte
1936 28. 6. Kurt Krenn, ehemaliger Weihbischof, wird in Rannariedl, Gemeinde Neustift im Mühlkreis geboren.
1937 30. 8. Bundesheer-Manöver im Mühlviertel
1938 3. 8. Aufbau des Konzentrationslagers Mauthausen
1938 16. 10. Die Bezirke Kaplitz und Krumau kommen zu Oberdonau.
1938 19. 10. Hitler besucht die Südböhmischen Gebiete des Gaus.
Außer größeren Bränden und einigen Markterhebungen scheint in dieser Zeit nichts passiert zu sein, das es wert war, in die Oberösterreich-Chronik aufgenommen zu werden. Angeblich spielte sich alles Berichtens- und Beachtenswerte in Linz und südlich der Donau ab. Trotzdem ist hier so manches passiert, das aber bei den „überwältigenden“ Oberösterreichischen Ereignissen etwas untergeht oder nicht richtig beachtet wurde und wird. Nicht nur politische Ereignisse prägen einen Zeitabschnitt, sondern auch Literatur und Musik. Wollen wir hier einige Mühlviertler Beispiele aus der Zwischenkriegszeit heraus greifen. Ich will nur ein paar Namen nennen:
Franz Neuhofer (1870-1949): Neuhofer wurde als Sohn des Regenschori und Gymnasial-Musiklehrers Neuhofer geboren. Angeblich konnte er schon als 10jähriger seinen Vater beim Orgelspiel vertreten. Nach Abschluss der Lehrerbildungsanstalt in Linz war er Lehrer in Schenkenfelden, Leopoldschlag und Windhaag und an der Volksschule in Freistadt. Neuhofer vertonte Gedichte von Stelzhamer, Samhaber, Matosch und Hanrieder.
Heinrich Suso Waldeck (1873-1943): Stammte aus dem Egerland, war Priester, starb in St. Veit im Mühlkreis. 1937 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. Anlässlich des Anschlusses Österreichs an Nazideutschland schrieb er ein Gedicht, in dem er die Größe dieser Tat lobpreist.
Eduard Samhaber (1846-1927): In Freistadt als Sohn eines Finanzwachebeamten geboren. Mit acht Jahren übersiedelte der Vater nach Kremsmünster, wo auch der Knabe die Normalschule und das Gymnasium besuchte. Nach einem kurzen Zwischenspiel aus Novize studierte er in Wien Deutsch und Literatur. Unterrichtete dann in Freistadt und Laibach, wo er sich mit Slowenischer Nationalliteratur beschäftigt hat.
Maria Arbold, geb. Derschmidt (1867-1950): Sie wurde hier in Pregarten als 10. Kind des Ehepaares Mathias und Franziska Derschmidt geboren. Sie verbrachte auch den größten Teil ihres Lebens in Pregarten. Sie veröffentlichte ihre Geschichten in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern.
Susi Wallner-Kränzl (1868-1944): Sie stammte aus St. Leonhard bei Freistadt. Sie veröffentlichte zahlreiche Erzählungern. Z. B. Linzer Skizzen, Bunte Blätter, Gestalten aus Oberösterreich, usw.
Max Hilpert (1891-1971): Wurde in Freistadt geboren. Schulbesuch in Freistadt, Lehrer in Amesreith, Reichenau. Veröffentlichte zahlreiche Geschichten aus seiner Heimat, zwei Bücher („Mühlviertel - Hügelig Land, herzhafte Leute“ und „Geschichten aus dem Mühlviertel“, ein Bühnenstück: „Die Schneiderbäuerin“)
Rupert Ruttmann (1906-1987): Geboren in Peilstein, besuchte die Bürgerschule in Freistadt, Volksschullehrer in Zell bei Zellhof, Bach bei Schwanenstadt, Freistadt, Liebenau, St. Oswald bei Freistadt, dann Direktor in der Schule von Sigharting. Schrieb zahlreiche Mundartgedichte und heimatkundliche Aufsätze.
Das ist nur eine kleine Auswahl jener Künstler, die in Wort und Bild auch bei der Landesausstellung in Weinberg 1988 vorgestellt wurden. Die Liste ließe sich leicht verlängern. Welche Ereignissen waren in der Zwischenkriegszeit für das Mühlviertel wichtig und prägend. Da die Landeschronik darüber nicht Auskunft gibt, werfen wir einen Blick in die einzelnen Heimatbücher. Hier eine wahllose Auswahl an Eintragungen.
Tragwein:
Am 1. Mai 1934 setzte in Tragwein von Seiten der Nazi eine rege Tätigkeit ein. Im Josefstal wird sogar ein Kruzifix mit Hakenkreuzen beschmiert.
Am 27. Mai 1934 wurde die Heimwehr Tragwein mit Müller Wögerbauer als Führer gegründet.
Am 28. Mai 1934 sollte im Gastgarten Tragwein Nr. 22 ein Fest stattfinden, in der Nacht wurden aber sämtliche Tische mit Hakenkreuzen beschmiert.
Am 25. Juli 1934 wurden alle Einfahrtsstrassen von Tragwein mit Wagen und sonstigen Geräte verbarrikadiert.
Am 9. Februar 1935 wurde der Kommunist Kern aus Josefstal verhaftet.
Haslach:
Am 3. November 1918 zeigte sich ein weiteres Auflösungszeichen (der Monarchie): ein Mann drang in das Gerichtsgebäude ein und entfernte den an der Fassade angebrachten Doppeladler. Er wurde zwar kurz festgenommen und vom Gerichtsdiener ordentlich verprügelt, eine größere Menschenmenge am Marktplatz verlangte aber seine Freilassung. Er bekam eine Verwarnung, die jedoch kaum jemanden beeindruckte, denn in den nächsten Tagen verschwanden alle Doppeladler von den öffentlichen Gebäuden.
Am 3. November 1923 wird im Krankenhaus Haslach eine Mutterberatungsstelle eingerichtet.
Im Oktober 1926 wurde in Haslach die gewerbliche Fortbildungsschule eröffnet.
Am 13. und 14. August 1927 fand in Haslach ein großes Heimatfest statt. Man gedachte der Hussiteneinfälle vor 500 Jahren. Auch das Heimathaus im Torturm wurde eröffnet.
16. Jänner 1934: In Haslach gab es einen Bombenanschlag: Es wurden drei Sprengkörper und zwei Papierböller geworfen. Beim katholischen Vereinshaus und bei der Mathie-Garage wurden mit Ekrasit gefüllte Rohre gezündet, die großen Sachschaden angerichtet haben. Als Konsequenz wurde der Gendarmerieposten verstärkt.
Weitersfelden:
1924: Am Ostersonntag 21. April, wurde bei strömenden Regen die Automobilverkehrslinie Unterweißenbach-Pregarten und Unterweißenbach-Freistadt eröffnet.
1934: Die politischen Unruhen wurden in Weitersfelden in den Zeitungen interessiert verfolgt. Die Bevölkerung hatte im Alltag mit der wirtschaftlichen Notlage zu kämpfen.
Wartberg ob der Aist:
1920: Einweihung des Kriegerdenkmals
1924: Gründung des Heimkehrernbundes
1928: Am 17. Mai wurde in Wartberg der erste Muttertag gefeiert. Veranstalterin war Frau Sophie Leitner.
Kirchschlag:
Am 5. Juli 1925 wurde in Hellmonsödt das Kriegerdenkmal enthüllt. Die Gefallenen aus Kirchschlag sind dort vermerkt.
Im Herbst 1936 erbaute der Turnverein „Jahn“ AUS Linz in der Ortschaft Eben eine Sprungschanze, die am 17. Dezember 1936 fertiggestellt war.
Schönau:
1914-1938: Die letzten Jahre des freien Österreichs – Paramilitärischer Österreich-Patriotismus auch in Schönau.
... Eine patriotisch-vaterländische Feier löste die andere ab ...
... die bäuerliche Schönauer Bevölkerung hielt nicht viel von dem neuen Österreich-Getue ...
Was berichten uns die Heimatbücher über diese Zeit? Man findet zahlreiche Parallelen. Zuerst errichtete man Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, dann berichtete man über die zaghaften Modernisierungen, wie etwa die Errichtung von Kraftfahrlinien und dann tauchen die Aktionen der Illegalen Nazis auf. Hakenkreuzschmierereien und andere unangenehme Ereignisse gab es praktisch in jeder Gemeinde, wenn es auch nicht von jedem Chronisten als unangenehm vermerkt wurde. Die Radikalisierung der einzelnen Volksgruppen gab es auch auf dem Land und in den Dörfern. Und fast jede Chronik berichtet von den seltsamen Himmelserscheinungen, die die Bewohner beunruhigten: „Es lag ein Schauer über uns!“ notierte der Chronist in Schönau. Gemeint war das Nordlicht, das Anfang des Jahres 1938 nichts gutes erwarten ließ.
1938-1945
Dieser Zeitabschnitt ist für das Mühlviertel, und besonders für den Bezirk Freistadt sehr gut dokumentiert. Neben den verschiedenen Chronikabschriften in den diversen Heimatbüchern gibt es einige Standardwerke zur Zeitgeschichte. Im Bezirk Rohrbach hat sich Fritz Winkler und im Bezirk Freistadt Franz Steinmaßl dieser Zeit angenommen. Zu bemerken ist, dass gerade in diesem Abschnitt der Geschichte die Gleichschaltung durch die obrigkeitlichen Anordnungen sehr stark zu bemerken ist. Die Häuser sind zu den verschiedenen Anlässen gleich geschmückt, der Ablauf der Feiern ist genormt und die Redner tragen vorgefertigte Texte vor. Die Landbevölkerung war diesen Aktivitäten gegenüber reserviert. Die Partei kritisierte, dass z. B. die Bauern am 1. Mai, am „Nationalfeiertag des Deutschen Volkes“ statt zu den Feierlichkeiten lieber auf die Äcker gingen, um die Erdäpfel zu setzten. Auch kam es zu einem Eklat, als sich einige Freistädter und auch Grünbacher über den sogenannten „Bayerischen Hilfszug“ lustig machte, der der angeblich hungernden Bevölkerung mit Eintopf aus der Gulaschkanone über das Ärgste helfen wollte. Am 8. 6. 1941 hielt der Kreisleiter Wilhelm Wolfsgruber eine Rede beim Großappell in Schönau. Der Chronist notierte: „Er geißelte in treffenden Ausführungen diejenigen Typen von Volksgenossen, die es nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, in welch großer und herrlicher Zeit wir leben.“
Die Bevölkerung war enormen Repressalien ausgesetzt. Der Pfarrer von Pierbach notierte in der Pfarrchronik: „Der Jubel so mancher beim Anschluss ist verrauscht, und wehmütig gedenkt man der früheren glücklichen Verhältnisse.“
Dieter Eder skizziert im Schönauer Heimatbuch sehr treffend die Lage:
„Es war nicht nur der frevelhaft vom Zaun gebrochene Krieg, der abstoßend wirkte, es war auch manch nebensächlich Scheinendes, das befremdete. So etwa die Machtübertragung an fremde Karrieresüchtige, der lächerliche Umbenennungswahn. Das Erntedankfest wurde jetzt Herbstthing genannt, das altgewohnte Grüß Gott musste dem Faschistengruß Heil Hitler weichen, statt Gendarm hieß es jetzt Wachtmeister. War es in den christlichen Landgemeinden bisher geübter Brauch, am Freitag kein Fleisch zu essen, wurden jetzt die Gemeindeämter angewiesen, dafür zu sorgen, dass an Dienstagen in den Gasthäusern keine Fleischspeisen verabreicht werden.“
Gleich nach dem Anschluß zeigte sich der neue Staat als großer Spender. Aber es dauerte nicht lange, da brach eine Unmenge an Geldsammlungen über die Bevölkerung herein. Die Reinerträge waren aber bescheiden, denn „den meisten Bauern steht ihr Hof näher als das Vaterland“, wird in einem Stimmungsbericht der Gendarmerie kritisiert. Und weiter: „Weltanschaulich sind die Bauern die größten Dummköpfe, da ist es schwer beizukommen.“ Kurz nach dem Anschluss hat man den Mühlviertlern Milch und Honig versprochen und ein halbes Jahr später, im Herbst 1938 wurde sie angewiesen, Bucheckern zur Fettgewinnung zu sammeln. Da konnte sich wohl der größte Dummkopf einen Reim darauf machen.
Für die Beschreibung der Zeit bis zum Zusammenbruch reichen ein paar Schlagworte, damit die Ungeheuerlichkeiten dieser Epoche skizziert werden: KZ Mauthausen, Volkssturm, Gestapohaft, Hinrichtungen in Treffling, Verschleppungen von vermeintlichen Regimegegnern, Ostflüchtlinge. Der 1938 propagierte „Neue Lebensraum“, der Wolhynien, Galizien, das Buchenland, Bessarabien, die Dobrutscha, aber auch Elsass und Lothringen ein schloss, verdichtete sich 1945 auf ein fiktives Gebilde, das sich „Alpenfestung“ nannte, und das letzte Rückzugsgebiet der Naziideologie sein sollte. Tatsächlich konnte man in Freistadt und im Mühlviertel starke Durchmärsche von hohen Zivil- und Militärpersonen feststellen, die nur ein Ziel hatten, das Salzkammergut zu erreichen. In den ersten Maitagen des Jahres 1945 begaben sich auch viele Ortsgruppenleiter auf dem Marsch, nachdem sie vorher noch mit verschiedenen Anordnungen Eigrubers die Bevölkerung drangsaliert und die restlichen Schnapsbestände geleert hatten.
Dann kamen die Amerikaner und die Russen.
Besatzungszeit im Mühlviertel
Auch diese Zeit ist für das Mühlviertel sehr gut dokumentiert. Edmund Merl, der ehemalige Bezirkshauptmann von Freistadt, widmete 1972 dieser Zeit ein Buch, ich habe 2005 ein Buch über die sogenannte „Russenzeit“ im Mühlviertel geschrieben, in dem auch einige Tagebücher und Teile einer neuen Dissertation verarbeitet wurden. So ist sicherlich ein relativ authentisches Bild über diese Zeit entstanden. Kompiliert man die Aussagen aus diesen beiden Büchern so muss man einige landläufige Meinungen etwas revidieren:
- Nicht alle Schäden und Verbrechen, die damals entstanden sind und verübt wurden, gehen auf das Konto der Russen. Auch so manche Einheimische haben sich wie die „Russen“ benommen.
- Die Übergriffe der Russen wurden schlagartig weniger oder hörten überhaupt auf, als die große Menge der Kampftruppen durch einige wenige Verwaltungsorgane ersetzt wurden. Auch wurden die unrechtmäßigen Übergriffe von Russischen Soldaten auf die Zivilbevölkerung nicht stillschweigend geduldet und immer strafrechtlich verfolgt. Nur wusste davon die betroffene Bevölkerung nichts.
- Viele ehemaligen Nazi erwiesen sich, was ihre Ideologie betraf, als sehr flexibel und anpassungsfähig
- Die Mühlviertler rechneten zwar mit keinem schnellen Ende der Russenzeit, die wenigsten biederten sich aber den Kommunisten an. Im gesamten russisch besetzten Mühlviertel erhielten die Kommunisten bei den Wahlen im Herbst 1945 unter 1 % der Stimmen – zum Vergleich die ÖVP erreichte 72,3 % und die SPÖ 26,8%!
- Im Mühlviertel hatte praktisch jeder etwas zu Essen, die große Not herrschte in den Städten. Daher florierten hier am Land die Hamstergeschäfte und der Schleichhandel. Daran ließ sich viel verdienen, vorausgesetzt man hatte die richtigen Waren.
- Nachdem die Zeit der unkontrollierten Plünderungen vorbei war, konnte man mit den Russen auch gute Geschäfte machen. Radioapparate, Fahrräder, Fotoapparate waren begehrte Güter bei den Russen.
- Einige verwendeten die Kollaboration mit den Russen zu verbrecherischen Zwecken. Diese Zivilisten gaben vor, im Auftrag oder zumindest unter Duldung der Besatzungsmacht zu handeln. So gab es zahlreiche selbst ernannte Nazijäger und Waffensucher, die auch vor Raub, Mord und Vergewaltigung nicht zurück geschreckt sind.
- Es gab unter der Mühlviertler Bevölkerung auch viele Neider und Verräter. Manche haben den anderen oder den Nachbarn das Leben nicht leicht gemacht.
- Nicht unterschätzt werden soll die gewaltige Aufbauarbeit der Behörden, die einerseits mit den Forderungen der Russen klar kommen mussten, andererseits eine funktionierende Verwaltung nach dem Zusammenbruch aufbauen mussten.
Wodurch war die Besatzungszeit noch geprägt? Gibt es einheitliche Trends, die sich durch die Gemeinden ziehen und die typisch für das Mühlviertel sind? Hier nur einige Stichworte:
- Flüchtlinge aus dem Sudetenland kommen teilweise illegal über die Grenze
- Die Kriegsgefangenen kehren aus der Gefangenschaft zurück
- Entnazifizierung
- Das gefährliche Kriegserbe, viele Tote und Verletzte auch unter Kindern
- 8. Juni 1953: Aufhebung der Kontrollposten an der Linzer Donaubrücke, freier Personen- und Warenverkehr
- Belebung des Vereins- und Kulturlebens in den Gemeinden.
Aus dieser Liste von Stichworten möchte ich nur eines herausnehmen und etwas näher erläutern: Entnazifizierung! Genauso hässlich wie die Bezeichnung war auch der Vorgang selbst. Man kannte zwar das Ziel, das war aus verbohrten Nazis gute Staatsbürger zu machen, der Weg dorthin war jedoch konfus und inkonsequent. Diese Entnazifizierung war wohl eine Erfindung der Amerikaner. In zahlreichen Umerziehungslagern, wurden die früher führende Nazis eingesperrt und durch Schulungen gebessert. Das glaubte man aber nur. Als man ihnen Filme über die Konzentrationslager zeigte, skandierte die Menge: „Wir wollen Bilder aus Dresden sehen“ und wenn die Sprache auf die Judenverfolgung kam, dann wurden Fragen nach der Situation der Schwarzen und der Indianer in den USA gestellt. Die Umerzieher hatten darauf keine überzeugenden Antworten. Die ganze Situation war zum Scheitern verurteilt. Die Nazis blieben Nazis, sie mussten nur je nach Belastung mehr oder weniger Sühnegeld zahlen, und das war es auch schon. Die lokalen Nazis (Parteimitglieder der niederen Stufe) bezeichneten sich gar als Opfer und beklagten die Härte der Behörden. Aber dass sie durch ihre bloße Mitgliedschaft ein verbrecherisches Regime unterstützt haben und der massenhafte Zulauf dieses erst mächtig werden ließ, wurde von den wenigsten kapiert. Bei vielen blieb der Eindruck, dass sie betrogen und hintergangen wurden, aber nicht von ihren Parteigenossen.
1955-2000
Eine Zeit, von der ich als Zeitzeuge mitreden kann. Ich bin 1955 geboren und habe doch einige Zeitabschnitte sehr bewusst erlebt. Von den Russen wurde in meinem Elternhaus kaum positiv gesprochen. Zu extrem waren die Berühungspunkte. Aber die Russen waren bald kein Thema mehr, jeder hatte eine gute Arbeit, ein Auto wurde gekauft, man konnte sich viel leisten, wo in den vergangenen Jahrzehnten kein „Hindenken“ war.
Auch im Mühlviertel entwickelte sich, vielleicht etwas zeitverschoben, aber doch auch mit Nachdruck und Mächtigkeit eine gewisse Alltagskultur, die man „internationalistisch“ nennen könnte. Dazu trug neben einem erweiterten Reiseverhalten auch der „Quelle-Katalog“ bei. Hier konnte man bequem und günstig die neueste Mode oder die modernsten technischen Artikel erwerben. Dass vieles aus der damaligen DDR stammte wurde wohl keinem Besteller bewußt. Als ich während meiner Gymansialzeit jeweils in den Sommerferien am Linzer Frachtenbahnhof gearbeitet habe, habe ich wochenlang Waggons aus Leipzig, Dresden und Berlin Ost ausgeladen und die blauen Quelle-Lastwagen beladen. Auch habe ich eine Schreibmaschiene besessen und beinahe 20 Jahre verwendet, die im Quelle-Versandhaus gekauft wurde und unter der leicht abnehmbaren Abdeckung „Made in GDR“ eingraviert war.
Nur Details, aber bezeichnend für eine Epoche. Man konnte Ausflüge unternehmen, nicht nur tageweise, sondern richtige „Urlaube“, die italienische Adria war noch etwas teuer, aber in Jugoslawien ließ es sich schon richtig gut leben. Da nahm man auch schon eine anstrengende Anreise auf Bundesstrassen in einem engen Fiat oder Käfer in Kauf.
In den 1960er Jahren bewegte die Mühlviertler Bevölkerung die Kulturbrüche, wie mir scheint, nur am Rande: die Studentenrevolution mit Rudi Dutschke und Daniel Cohnbendis war weit weg, Woodstock hat wahrscheinlich auch die wenigsten Mühlviertler vom Hocker gehoben. Schon spannender, weil näher, war der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Oder die Mondlandung und die Siege des Boxidols Cassius Clay. Beides sah man sich auch zu nachtschlafener Zeit im Fernsehen an, denn aufregende Dinge passieren in den USA halt irgendwann am Nachmittag oder am Abend, wo bei uns dann noch nicht die Sonne aufgegangen ist.
Jetzt wird es persönlich:
Ich hatte damals einen Mittelwelleempfänger, mit dem ich regelmäßig Radio Luxemburg gehört habe. Die spielten die neuesten Schlager. Und dann kam Ö3, glasklar und ohne Rauschen auf Ultra-Kurzwelle und mit tollen Moderatoren und mit Sendungen, die Österreich bisher noch nie gehört hat. Hard-Rock, Sendungen aus dem mediterranem Raum mit dem „Poidinger“, und die legendären Jazzsendungen mit Walter Richard Langer. Oder französische Chansons.
Ich fahre 1970 mit Verwandten das erste Mal nach Jugoslawien, 1973 mit einem Interrail-Ticket nach Frankreich und Spanien und 1975 mit meinen Schulkolleginnen und -en und zwei Professoren auf Matuareise nach Griechenland. Nicht all-inklusiv sondern alles selbst erarbeitet: geschlafen wurden in Zelten und gegessen und getrunken in Landtavernen. Drei Wochen mit dem Bus auf Achse, von Athen nach Olympia, zu den Thermophylen und nach Delphi. Herrlich einfach und herrlich gut. Ein schöner Abschluss eines Lebensabschnittes und ein guter für den Beginn für einen neuen.
Der Rest der Zeit fällt unter den Oberbegriff „Alltagskultur und Alltagsgeschichte“. Uns allen sind die Veränderungen in Mode und Lebensweise bewusst. Beim Essen kam man über Erbsensuppe (unmittelbare Nachkriegszeit) Wiener Schnitzel, Tiramisou und Knäckebrot zum probiotischen Joghurt. Beim Wohnen durchliefen wir eine ähnliche Entwicklung: Linoleum, langzotteliger Teppichboden, Parkett, mondrichtig geschlägerter Schiffboden.
90 Jahre Mühlviertler Geschichte auf ein paar wenigen Blättern. Das kann wohl nicht alles sein. Ist es auch nicht. Jeder hat seinen eigenen eigenwilligen Zugang zu diesen 90 Jahren Oberösterreichischer Geschichte, die wir hier und heute auf die Mühlviertler und womöglich sogar auf die Freistädter Geschichte reduziert haben. Aber uns muss es bewusst sein , dass tagtäglich etwas in unserer unmittelbaren Umgebung passiert, das einmal Geschichte sein wird.
1Fritz Fellner, 1918 – ein Zeitzeugenbericht. Oberösterreichische Heimatblätter, 48. Jg. Heft 3, 1994.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen