Mühlviertler Geschichte

Verschiedene Artikel, Aufsätze und Berichte über die Geschichte des Mühlviertels - praktisch ein Heimatforscherforum

Donnerstag, 24. Januar 2013

Das Mühlviertel 1918-2008

-->
Inhalt:

1918-1938
Die Grenze nach Norden
Die wirtschaftliche Lage des Mühlviertels
Was ist in der Zwischenkriegszeit im Mühlviertel passiert?
Mühlviertler Kunstgeschehen in der Zwischenkriegszeit
Politische Aktivitäten
1938-1945
Blitzlichter auf ein siebenjähriges Intermezzo
1945-1955
Besatzungszeit im Mühlviertel
1955-2000
Die unmittelbare Vergangenheit

Das Mühlviertel 1918-2000

Die Geschichte des Mühlviertels geht etwas anders als die übrige Landesgeschichte.Wie kann das bewiesen werden? Ganz einfach, es gibt eine starke Trennlinie, das ist die Donau, die schon immer zwei Welten getrennt hat. Blicken wir nur zurück. Sie trennte die Römische von der Barbarischen, die Welt der Felder von denen der Wälder, oder sie war gar einmal Grenze zwischen den USA und der UdSSR.

Aber auch in anderen zeitlichen Abschnitten ist in der Entwicklung vielfach keine Kongruenz zu bemerken. Der Grund dafür ist einerseits die eindeutige Abgrenzung, zu der die Donau einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Das Mühlviertel ist jener Landesteil Oberösterreichs, der nördlich der Donau liegt. Mit dieser Aussage konnte und kann sich jeder etwas vorstellen. Ein weiterer Grund ist auch die Grenzlage zur Tschechoslowakei, die gerade in den Jahren nach 1918 bestimmend für das Mühlviertel wurde. So kann die Geschichte des Mühlviertels ohne einen Blick auf Böhmen zu werfen nur eine unvollständige sein. Politische und gesellschaftliche Entwicklungen in unserem Nachbarland haben auch bei uns im Mühlviertel immer eine gewisse Resonanz hervorgerufen. Manche behaupten auch, dass die Mühlviertler ein eigener Menschenschlag sind, dafür gibt es aber keinerlei gesicherten Beweise, daher werden wir diesen Aspekt vollkommen unberücksichtigt lassen.

1918-1938

1918 stand das Mühlviertel mit dem Rücken plötzlich zur Wand. Eine Grenze, die Jahrhunderte praktisch nicht existent war, wurde über Nacht Realität. Am 17. November 1918 richtete der in Krumau aus Vertretern aller Gerichtsbezirke gebildete Nationalausschuss für den Gau Böhmerwald eine Grußadresse an die provisorische Landesversammlung für Oberösterreich in Linz, die ihrerseits ihre Absicht aussprach, "die an Oberösterreich angrenzenden deutsche Gebiete Südböhmens staatsrechtlich und administrativ mit dem Lande Oberösterreich zu vereinigen". Dazu kam es nicht. Im Lauf des Dezembers besetzte tschechisches Militär die Grenzregionen. In Kaplitz kam es in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1918 zu einem größeren Scharmützel, bei dem die Deutschen dem tschechischen Militär unterlegen war und angeblich über Martetschlag nach Österreich flüchten mussten. Die oberösterreichischen Behörden haben sich dezidiert aus diesem Konflikt herausgehalten. Die Mühlviertler Bevölkerung und besonders die Freistädter waren aber äußerst beunruhigt. Ich zitiere einen Eintrag in der Schulchronik des Marianums in Freistadt: „Der 3. Dezember brachte große Aufregung auch für die Freistädter. Hieß es doch, die Tschechen seien im Anmarsch gegen Freistadt. ... Da sich die Volkswehr von Kaplitz dem Anmarsch der böhmischen Legionäre widersetzte, feuerten diese einige Kanonenschüsse auf die Kirche ab, wodurch diese und die Schule nicht unerheblich beschädigt wurden. Am 3. Dezember kamen einige 100 (Kaplitzer) Volkswehrmänner im raschen Marsch nach Freistadt ...“1

Die Grenze nach Norden

Nach all diesen Anzeichen glaubten nun viele Freistädter, dass es die Tschechen auf auf Freistadt abgesehen hätten. In Freistadt stand ja noch das riesige Kriegsgefangenenlager, das praktisch ohne Schutz für bewaffnete Plünderer offen stand. Ähnliches ist ja mit den Lagern in Niederösterreich, in Gmünd und in Feldberg, passiert. Der Freistädter Bezirkshauptmann Dr. Groterjahn versuchte nun die Bevölkerung zu beruhigen. Es wird alles getan, dass kein Schuss fällt. „Die dieses Problems muss politisch und kann und darf nicht militärisch gelöst werden,“ war die Einstellung der Behörden. Einige Hitzköpfe, zu diesen gehörte auch der Fachleherer und Heimatforscher Florian Gmainer aus Freistadt, wollten unbedingt die Schule bewachen. Der Direktor des Marianums duldete ihre nächtlichen Streifzüge.
Die Tschechen kamen nie bis Freistadt, sie akzeptierten die historische böhmische Grenze. Die Furcht der Mühlviertler war aber damit noch nicht beseitigt. Es begannen Landkarten zu kursieren, auf denen die Mühlviertler Ortsnamen tschechisiert waren. So hieß Freistadt Zahlov, nach dem Ortsteil Zaglau. Man fürchtete eine Tschechisierung des Mühlviertels, was natürlich illusorisch war. Aber jeder noch so kleine Versuch von Tschechen hier Fuß zu fassen, wurde als Kolonisationsversuch gewertet. Besonders die Übernahme von verschuldeten Mühlviertler Bauernhöfe durch tschechische Bauern war äußerst verpönt.
Am 22. Mai 1919 wurden zwischen Österreich und der Tschechoslowakei Zollgrenzen errichtet. Im August 1919 wurden die ersten Grenzsicherungsarbeiten gemacht. Die politische Bezirksverwaltung in Kaplitz erließ folgende Kundmachung: „Um das unbefugte Überschreiten der Grenze zu verhindern, werden die Wälder an den Grenzen in der Breite von 600 Schritt als gefährliche Waldgrenze erklärt.“ Diese Kundmachung musste an den zahlreichen grenzüberschreitenden Straßen, Wegen und Steigen angebracht werden. Ferner wurde „im Einvernehmen mit den Waldbesitzern die Grenzen mit einem weißen, entsprechend breiten Kalkstreifen versehen.“ Die Behörden sahen sich veranlasst, die Bevölkerung hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine Staatsgrenze handelt, die nicht ohne weiteres, wie früher, überquert werden kann. Am 10. September 1919 werden im Friedensvertrag von St. Germain der „Böhmerwaldgau“ bzw. der Kreis „Deutsch-Südböhmen“ der Tschechoslowakei zugesprochen.
Diese Situation war den Mühlviertlern besonders in den nördlichen Grenzgemeinden völlig neu. Das hat es schon seit Menschengedenken nicht mehr gegeben. Vieles musste neu geregelt werden: wie haben sich die Landwirte zu verhalten, die in beiden Staaten Grundbesitz hatten, wie die Gewerbetreibenden, die hüben und drüben Geschäfte machen wollten. Entlang der neuen Grenze entstanden zahlreiche Zollhäuser, die teilweise jetzt noch in Verwendung sind. Und mit der Grenze und deren Überwachung florierte der Schmuggel. Die damalige Tschechoslowakei kannte praktisch nicht jene Wirtschaftskrisen, die Österreich durchmachen musste. Daher wurde auch auf den vermeintlichen Wohlstand der Tschechen mit Neid und Missgunst geblickt. Viele Konsumgüter waren jenseits der Grenze viel billiger oder überhaupt nur dort erhältlich, sodass sich das Schwärzen durchaus lohnte. Sacharin und Schuhe, die weltberühmten Bata aus dem mährischen Zlin, waren wohl die meist geschmuggelten Objekte. Innerhalb weniger Jahre normalisierte sich aber die Situation an der Grenze. Man gewöhnte sich an die Grenzbalken und an die Kontrollen.

Die wirtschaftliche Lage im Mühlviertel

Das Mühlviertel bekam wieder vermehrt die Nachteile einer Randlage zu spüren. Die ohnehin nicht rasante Wirtschaftsentwicklung Österreichs ging an diesem Landstrich völlig ohne Spuren vorüber. Die wirtschaftliche Lage der Landwirte war von einer großen Absatzkrise gekennzeichnet. Vor allem die mangelnde Exportmöglichkeit nach Deutschland machten z. B. Holz oder Vieh auch nicht zu miserablen Preisen verkäuflich. Gerade in den 1930er Jahren litt dann auch das lokale Gewerbe unter der mangelnden Kaufkraft der Bevölkerung. Ein Indikator für die katastrophale wirtschaftliche Lage der Landwirte sind die gerichtlich zur Versteigerung ausgeschriebenen Realitäten. Im Gerichtsbezirk Freistadt (Freistadt, Pregarten und Unterweißenbach) waren dies
1933 55 Bauernhöfe
1934 46 Bauernhöfe
1935 38 Bauernhöfe
1936 34 Bauernhöfe
1937 25 Bauernhöfe

Auch die Arbeitslosigkeit war ein Hauptproblem dieser Zeit. So waren im Bezirk Freistadt im Dezember 1933 über 1100 Personen ohne Arbeit, im Jänner 1937 wurde nach saisonbedingten Schwankungen die 1200er Marke erreicht. Im Laufe des Jahres 1937 griffen dann verschiedene arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, so waren an die 600 Personen beim Straßen- und Güterwegbau beschäftigt, 117 Arbeitslosen fanden Arbeit beim Freistädter Kasernenbau. Entgegen der weit verbreiteten Legendenbildung war unmittelbar vor dem Anschluss also die Arbeitslosigkeit nicht mehr das dominierende Problem, wie sie es in den vorhergehenden Jahren war.

Was ist in der Zwischenkriegszeit im Mühlviertel passiert?

Sehen wir uns einige Ereignisse in den Gemeinden des Mühlviertels in der Zwischenkriegszeit an. Wie wenig das Mühlviertel damals für „Schlagzeilen“ sorgte, zeigen auch die äußerst dünnen Eintragungen in der Landeschronik. Hier eine vollständige Liste der Eintragungen:
1921 21. 6. Der Mühlviertler Johannes Schober (1874-1932) wird Bundeskanzler.
1921 3. 7. Eröffnung des Hilfskraftwerkes Partenstein
1925 30. 10. Inbetriebnahme des Kraftwerkes Ranna
1926 25. 7. In Mollmannsreith (Gemeinde Oberkappel) brennen 24 der 29 Häuser nieder.
1926 14. 11. Eröffnung des Urnenfriedhofs in Urfahr
1928 21. 5. Langfierling bei St. Leonhard wird eine Raub der Flammen (4 Häuser gerettet).
1928 15. 6. Ulrichsberg wird zum Markt erhoben
1929 20. 10. Großkundgebung des sozialdemokratischen Schutzbundes in Waxenberg.
1931 24. 4. Großbrand in Neufelden, 17 Häuser werden vernichtet.
1932 7. 7. Ried in der Riedmark wird Markt
1932 23. 7. In Kollerschlag werden bei einem Großbrand 21 Häuser vernichtet.
1933 21. 4. Ein Toter in Holzschlag (Bez. Rohrbach) bei Auseinandersetzungen zwischen Heimatschützeren und Sozialdemokraten.
1933 29. 10. Baubeginn der Christkönigskirche in Urfahr.
1934 25. 7. In Krieglbach bei Julbach dringen Angehörige der Österreichischen Legion über die Grenze. Es gibt einige Tote und Verschleppte.
1936 22. 5. Nationalsozialistischer Anschlag auf Schloss Waxenberg, ein Toter, zwei Schwerverletzte
1936 28. 6. Kurt Krenn, ehemaliger Weihbischof, wird in Rannariedl, Gemeinde Neustift im Mühlkreis geboren.
1937 30. 8. Bundesheer-Manöver im Mühlviertel
1938 3. 8. Aufbau des Konzentrationslagers Mauthausen
1938 16. 10. Die Bezirke Kaplitz und Krumau kommen zu Oberdonau.
1938 19. 10. Hitler besucht die Südböhmischen Gebiete des Gaus.

Außer größeren Bränden und einigen Markterhebungen scheint in dieser Zeit nichts passiert zu sein, das es wert war, in die Oberösterreich-Chronik aufgenommen zu werden. Angeblich spielte sich alles Berichtens- und Beachtenswerte in Linz und südlich der Donau ab. Trotzdem ist hier so manches passiert, das aber bei den „überwältigenden“ Oberösterreichischen Ereignissen etwas untergeht oder nicht richtig beachtet wurde und wird. Nicht nur politische Ereignisse prägen einen Zeitabschnitt, sondern auch Literatur und Musik. Wollen wir hier einige Mühlviertler Beispiele aus der Zwischenkriegszeit heraus greifen. Ich will nur ein paar Namen nennen:
Franz Neuhofer (1870-1949): Neuhofer wurde als Sohn des Regenschori und Gymnasial-Musiklehrers Neuhofer geboren. Angeblich konnte er schon als 10jähriger seinen Vater beim Orgelspiel vertreten. Nach Abschluss der Lehrerbildungsanstalt in Linz war er Lehrer in Schenkenfelden, Leopoldschlag und Windhaag und an der Volksschule in Freistadt. Neuhofer vertonte Gedichte von Stelzhamer, Samhaber, Matosch und Hanrieder.
Heinrich Suso Waldeck (1873-1943): Stammte aus dem Egerland, war Priester, starb in St. Veit im Mühlkreis. 1937 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur. Anlässlich des Anschlusses Österreichs an Nazideutschland schrieb er ein Gedicht, in dem er die Größe dieser Tat lobpreist.
Eduard Samhaber (1846-1927): In Freistadt als Sohn eines Finanzwachebeamten geboren. Mit acht Jahren übersiedelte der Vater nach Kremsmünster, wo auch der Knabe die Normalschule und das Gymnasium besuchte. Nach einem kurzen Zwischenspiel aus Novize studierte er in Wien Deutsch und Literatur. Unterrichtete dann in Freistadt und Laibach, wo er sich mit Slowenischer Nationalliteratur beschäftigt hat.
Maria Arbold, geb. Derschmidt (1867-1950): Sie wurde hier in Pregarten als 10. Kind des Ehepaares Mathias und Franziska Derschmidt geboren. Sie verbrachte auch den größten Teil ihres Lebens in Pregarten. Sie veröffentlichte ihre Geschichten in Zeitungen, Zeitschriften und Kalendern.
Susi Wallner-Kränzl (1868-1944): Sie stammte aus St. Leonhard bei Freistadt. Sie veröffentlichte zahlreiche Erzählungern. Z. B. Linzer Skizzen, Bunte Blätter, Gestalten aus Oberösterreich, usw.
Max Hilpert (1891-1971): Wurde in Freistadt geboren. Schulbesuch in Freistadt, Lehrer in Amesreith, Reichenau. Veröffentlichte zahlreiche Geschichten aus seiner Heimat, zwei Bücher („Mühlviertel - Hügelig Land, herzhafte Leute“ und „Geschichten aus dem Mühlviertel“, ein Bühnenstück: „Die Schneiderbäuerin“)
Rupert Ruttmann (1906-1987): Geboren in Peilstein, besuchte die Bürgerschule in Freistadt, Volksschullehrer in Zell bei Zellhof, Bach bei Schwanenstadt, Freistadt, Liebenau, St. Oswald bei Freistadt, dann Direktor in der Schule von Sigharting. Schrieb zahlreiche Mundartgedichte und heimatkundliche Aufsätze.

Das ist nur eine kleine Auswahl jener Künstler, die in Wort und Bild auch bei der Landesausstellung in Weinberg 1988 vorgestellt wurden. Die Liste ließe sich leicht verlängern. Welche Ereignissen waren in der Zwischenkriegszeit für das Mühlviertel wichtig und prägend. Da die Landeschronik darüber nicht Auskunft gibt, werfen wir einen Blick in die einzelnen Heimatbücher. Hier eine wahllose Auswahl an Eintragungen.

Tragwein:
Am 1. Mai 1934 setzte in Tragwein von Seiten der Nazi eine rege Tätigkeit ein. Im Josefstal wird sogar ein Kruzifix mit Hakenkreuzen beschmiert.
Am 27. Mai 1934 wurde die Heimwehr Tragwein mit Müller Wögerbauer als Führer gegründet.
Am 28. Mai 1934 sollte im Gastgarten Tragwein Nr. 22 ein Fest stattfinden, in der Nacht wurden aber sämtliche Tische mit Hakenkreuzen beschmiert.
Am 25. Juli 1934 wurden alle Einfahrtsstrassen von Tragwein mit Wagen und sonstigen Geräte verbarrikadiert.
Am 9. Februar 1935 wurde der Kommunist Kern aus Josefstal verhaftet.

Haslach:
Am 3. November 1918 zeigte sich ein weiteres Auflösungszeichen (der Monarchie): ein Mann drang in das Gerichtsgebäude ein und entfernte den an der Fassade angebrachten Doppeladler. Er wurde zwar kurz festgenommen und vom Gerichtsdiener ordentlich verprügelt, eine größere Menschenmenge am Marktplatz verlangte aber seine Freilassung. Er bekam eine Verwarnung, die jedoch kaum jemanden beeindruckte, denn in den nächsten Tagen verschwanden alle Doppeladler von den öffentlichen Gebäuden.
Am 3. November 1923 wird im Krankenhaus Haslach eine Mutterberatungsstelle eingerichtet.
Im Oktober 1926 wurde in Haslach die gewerbliche Fortbildungsschule eröffnet.
Am 13. und 14. August 1927 fand in Haslach ein großes Heimatfest statt. Man gedachte der Hussiteneinfälle vor 500 Jahren. Auch das Heimathaus im Torturm wurde eröffnet.
16. Jänner 1934: In Haslach gab es einen Bombenanschlag: Es wurden drei Sprengkörper und zwei Papierböller geworfen. Beim katholischen Vereinshaus und bei der Mathie-Garage wurden mit Ekrasit gefüllte Rohre gezündet, die großen Sachschaden angerichtet haben. Als Konsequenz wurde der Gendarmerieposten verstärkt.

Weitersfelden:
1924: Am Ostersonntag 21. April, wurde bei strömenden Regen die Automobilverkehrslinie Unterweißenbach-Pregarten und Unterweißenbach-Freistadt eröffnet.
1934: Die politischen Unruhen wurden in Weitersfelden in den Zeitungen interessiert verfolgt. Die Bevölkerung hatte im Alltag mit der wirtschaftlichen Notlage zu kämpfen.

Wartberg ob der Aist:
1920: Einweihung des Kriegerdenkmals
1924: Gründung des Heimkehrernbundes
1928: Am 17. Mai wurde in Wartberg der erste Muttertag gefeiert. Veranstalterin war Frau Sophie Leitner.

Kirchschlag:
Am 5. Juli 1925 wurde in Hellmonsödt das Kriegerdenkmal enthüllt. Die Gefallenen aus Kirchschlag sind dort vermerkt.
Im Herbst 1936 erbaute der Turnverein „Jahn“ AUS Linz in der Ortschaft Eben eine Sprungschanze, die am 17. Dezember 1936 fertiggestellt war.

Schönau:
1914-1938: Die letzten Jahre des freien Österreichs – Paramilitärischer Österreich-Patriotismus auch in Schönau.
... Eine patriotisch-vaterländische Feier löste die andere ab ...
... die bäuerliche Schönauer Bevölkerung hielt nicht viel von dem neuen Österreich-Getue ...

Was berichten uns die Heimatbücher über diese Zeit? Man findet zahlreiche Parallelen. Zuerst errichtete man Kriegerdenkmäler für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, dann berichtete man über die zaghaften Modernisierungen, wie etwa die Errichtung von Kraftfahrlinien und dann tauchen die Aktionen der Illegalen Nazis auf. Hakenkreuzschmierereien und andere unangenehme Ereignisse gab es praktisch in jeder Gemeinde, wenn es auch nicht von jedem Chronisten als unangenehm vermerkt wurde. Die Radikalisierung der einzelnen Volksgruppen gab es auch auf dem Land und in den Dörfern. Und fast jede Chronik berichtet von den seltsamen Himmelserscheinungen, die die Bewohner beunruhigten: „Es lag ein Schauer über uns!“ notierte der Chronist in Schönau. Gemeint war das Nordlicht, das Anfang des Jahres 1938 nichts gutes erwarten ließ.


1938-1945
Dieser Zeitabschnitt ist für das Mühlviertel, und besonders für den Bezirk Freistadt sehr gut dokumentiert. Neben den verschiedenen Chronikabschriften in den diversen Heimatbüchern gibt es einige Standardwerke zur Zeitgeschichte. Im Bezirk Rohrbach hat sich Fritz Winkler und im Bezirk Freistadt Franz Steinmaßl dieser Zeit angenommen. Zu bemerken ist, dass gerade in diesem Abschnitt der Geschichte die Gleichschaltung durch die obrigkeitlichen Anordnungen sehr stark zu bemerken ist. Die Häuser sind zu den verschiedenen Anlässen gleich geschmückt, der Ablauf der Feiern ist genormt und die Redner tragen vorgefertigte Texte vor. Die Landbevölkerung war diesen Aktivitäten gegenüber reserviert. Die Partei kritisierte, dass z. B. die Bauern am 1. Mai, am „Nationalfeiertag des Deutschen Volkes“ statt zu den Feierlichkeiten lieber auf die Äcker gingen, um die Erdäpfel zu setzten. Auch kam es zu einem Eklat, als sich einige Freistädter und auch Grünbacher über den sogenannten „Bayerischen Hilfszug“ lustig machte, der der angeblich hungernden Bevölkerung mit Eintopf aus der Gulaschkanone über das Ärgste helfen wollte. Am 8. 6. 1941 hielt der Kreisleiter Wilhelm Wolfsgruber eine Rede beim Großappell in Schönau. Der Chronist notierte: „Er geißelte in treffenden Ausführungen diejenigen Typen von Volksgenossen, die es nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, in welch großer und herrlicher Zeit wir leben.“
Die Bevölkerung war enormen Repressalien ausgesetzt. Der Pfarrer von Pierbach notierte in der Pfarrchronik: „Der Jubel so mancher beim Anschluss ist verrauscht, und wehmütig gedenkt man der früheren glücklichen Verhältnisse.“
Dieter Eder skizziert im Schönauer Heimatbuch sehr treffend die Lage:
Es war nicht nur der frevelhaft vom Zaun gebrochene Krieg, der abstoßend wirkte, es war auch manch nebensächlich Scheinendes, das befremdete. So etwa die Machtübertragung an fremde Karrieresüchtige, der lächerliche Umbenennungswahn. Das Erntedankfest wurde jetzt Herbstthing genannt, das altgewohnte Grüß Gott musste dem Faschistengruß Heil Hitler weichen, statt Gendarm hieß es jetzt Wachtmeister. War es in den christlichen Landgemeinden bisher geübter Brauch, am Freitag kein Fleisch zu essen, wurden jetzt die Gemeindeämter angewiesen, dafür zu sorgen, dass an Dienstagen in den Gasthäusern keine Fleischspeisen verabreicht werden.“
Gleich nach dem Anschluß zeigte sich der neue Staat als großer Spender. Aber es dauerte nicht lange, da brach eine Unmenge an Geldsammlungen über die Bevölkerung herein. Die Reinerträge waren aber bescheiden, denn „den meisten Bauern steht ihr Hof näher als das Vaterland“, wird in einem Stimmungsbericht der Gendarmerie kritisiert. Und weiter: „Weltanschaulich sind die Bauern die größten Dummköpfe, da ist es schwer beizukommen.“ Kurz nach dem Anschluss hat man den Mühlviertlern Milch und Honig versprochen und ein halbes Jahr später, im Herbst 1938 wurde sie angewiesen, Bucheckern zur Fettgewinnung zu sammeln. Da konnte sich wohl der größte Dummkopf einen Reim darauf machen.
Für die Beschreibung der Zeit bis zum Zusammenbruch reichen ein paar Schlagworte, damit die Ungeheuerlichkeiten dieser Epoche skizziert werden: KZ Mauthausen, Volkssturm, Gestapohaft, Hinrichtungen in Treffling, Verschleppungen von vermeintlichen Regimegegnern, Ostflüchtlinge. Der 1938 propagierte „Neue Lebensraum“, der Wolhynien, Galizien, das Buchenland, Bessarabien, die Dobrutscha, aber auch Elsass und Lothringen ein schloss, verdichtete sich 1945 auf ein fiktives Gebilde, das sich „Alpenfestung“ nannte, und das letzte Rückzugsgebiet der Naziideologie sein sollte. Tatsächlich konnte man in Freistadt und im Mühlviertel starke Durchmärsche von hohen Zivil- und Militärpersonen feststellen, die nur ein Ziel hatten, das Salzkammergut zu erreichen. In den ersten Maitagen des Jahres 1945 begaben sich auch viele Ortsgruppenleiter auf dem Marsch, nachdem sie vorher noch mit verschiedenen Anordnungen Eigrubers die Bevölkerung drangsaliert und die restlichen Schnapsbestände geleert hatten.
Dann kamen die Amerikaner und die Russen.


Besatzungszeit im Mühlviertel

Auch diese Zeit ist für das Mühlviertel sehr gut dokumentiert. Edmund Merl, der ehemalige Bezirkshauptmann von Freistadt, widmete 1972 dieser Zeit ein Buch, ich habe 2005 ein Buch über die sogenannte „Russenzeit“ im Mühlviertel geschrieben, in dem auch einige Tagebücher und Teile einer neuen Dissertation verarbeitet wurden. So ist sicherlich ein relativ authentisches Bild über diese Zeit entstanden. Kompiliert man die Aussagen aus diesen beiden Büchern so muss man einige landläufige Meinungen etwas revidieren:

- Nicht alle Schäden und Verbrechen, die damals entstanden sind und verübt wurden, gehen auf das Konto der Russen. Auch so manche Einheimische haben sich wie die „Russen“ benommen.

- Die Übergriffe der Russen wurden schlagartig weniger oder hörten überhaupt auf, als die große Menge der Kampftruppen durch einige wenige Verwaltungsorgane ersetzt wurden. Auch wurden die unrechtmäßigen Übergriffe von Russischen Soldaten auf die Zivilbevölkerung nicht stillschweigend geduldet und immer strafrechtlich verfolgt. Nur wusste davon die betroffene Bevölkerung nichts.

- Viele ehemaligen Nazi erwiesen sich, was ihre Ideologie betraf, als sehr flexibel und anpassungsfähig

- Die Mühlviertler rechneten zwar mit keinem schnellen Ende der Russenzeit, die wenigsten biederten sich aber den Kommunisten an. Im gesamten russisch besetzten Mühlviertel erhielten die Kommunisten bei den Wahlen im Herbst 1945 unter 1 % der Stimmen – zum Vergleich die ÖVP erreichte 72,3 % und die SPÖ 26,8%!

- Im Mühlviertel hatte praktisch jeder etwas zu Essen, die große Not herrschte in den Städten. Daher florierten hier am Land die Hamstergeschäfte und der Schleichhandel. Daran ließ sich viel verdienen, vorausgesetzt man hatte die richtigen Waren.

- Nachdem die Zeit der unkontrollierten Plünderungen vorbei war, konnte man mit den Russen auch gute Geschäfte machen. Radioapparate, Fahrräder, Fotoapparate waren begehrte Güter bei den Russen.

- Einige verwendeten die Kollaboration mit den Russen zu verbrecherischen Zwecken. Diese Zivilisten gaben vor, im Auftrag oder zumindest unter Duldung der Besatzungsmacht zu handeln. So gab es zahlreiche selbst ernannte Nazijäger und Waffensucher, die auch vor Raub, Mord und Vergewaltigung nicht zurück geschreckt sind.

- Es gab unter der Mühlviertler Bevölkerung auch viele Neider und Verräter. Manche haben den anderen oder den Nachbarn das Leben nicht leicht gemacht.

- Nicht unterschätzt werden soll die gewaltige Aufbauarbeit der Behörden, die einerseits mit den Forderungen der Russen klar kommen mussten, andererseits eine funktionierende Verwaltung nach dem Zusammenbruch aufbauen mussten.

Wodurch war die Besatzungszeit noch geprägt? Gibt es einheitliche Trends, die sich durch die Gemeinden ziehen und die typisch für das Mühlviertel sind? Hier nur einige Stichworte:

  • Flüchtlinge aus dem Sudetenland kommen teilweise illegal über die Grenze
  • Die Kriegsgefangenen kehren aus der Gefangenschaft zurück
  • Entnazifizierung
  • Das gefährliche Kriegserbe, viele Tote und Verletzte auch unter Kindern
  • 8. Juni 1953: Aufhebung der Kontrollposten an der Linzer Donaubrücke, freier Personen- und Warenverkehr
  • Belebung des Vereins- und Kulturlebens in den Gemeinden.

Aus dieser Liste von Stichworten möchte ich nur eines herausnehmen und etwas näher erläutern: Entnazifizierung! Genauso hässlich wie die Bezeichnung war auch der Vorgang selbst. Man kannte zwar das Ziel, das war aus verbohrten Nazis gute Staatsbürger zu machen, der Weg dorthin war jedoch konfus und inkonsequent. Diese Entnazifizierung war wohl eine Erfindung der Amerikaner. In zahlreichen Umerziehungslagern, wurden die früher führende Nazis eingesperrt und durch Schulungen gebessert. Das glaubte man aber nur. Als man ihnen Filme über die Konzentrationslager zeigte, skandierte die Menge: „Wir wollen Bilder aus Dresden sehen“ und wenn die Sprache auf die Judenverfolgung kam, dann wurden Fragen nach der Situation der Schwarzen und der Indianer in den USA gestellt. Die Umerzieher hatten darauf keine überzeugenden Antworten. Die ganze Situation war zum Scheitern verurteilt. Die Nazis blieben Nazis, sie mussten nur je nach Belastung mehr oder weniger Sühnegeld zahlen, und das war es auch schon. Die lokalen Nazis (Parteimitglieder der niederen Stufe) bezeichneten sich gar als Opfer und beklagten die Härte der Behörden. Aber dass sie durch ihre bloße Mitgliedschaft ein verbrecherisches Regime unterstützt haben und der massenhafte Zulauf dieses erst mächtig werden ließ, wurde von den wenigsten kapiert. Bei vielen blieb der Eindruck, dass sie betrogen und hintergangen wurden, aber nicht von ihren Parteigenossen.

1955-2000

Eine Zeit, von der ich als Zeitzeuge mitreden kann. Ich bin 1955 geboren und habe doch einige Zeitabschnitte sehr bewusst erlebt. Von den Russen wurde in meinem Elternhaus kaum positiv gesprochen. Zu extrem waren die Berühungspunkte. Aber die Russen waren bald kein Thema mehr, jeder hatte eine gute Arbeit, ein Auto wurde gekauft, man konnte sich viel leisten, wo in den vergangenen Jahrzehnten kein „Hindenken“ war.
Auch im Mühlviertel entwickelte sich, vielleicht etwas zeitverschoben, aber doch auch mit Nachdruck und Mächtigkeit eine gewisse Alltagskultur, die man „internationalistisch“ nennen könnte. Dazu trug neben einem erweiterten Reiseverhalten auch der „Quelle-Katalog“ bei. Hier konnte man bequem und günstig die neueste Mode oder die modernsten technischen Artikel erwerben. Dass vieles aus der damaligen DDR stammte wurde wohl keinem Besteller bewußt. Als ich während meiner Gymansialzeit jeweils in den Sommerferien am Linzer Frachtenbahnhof gearbeitet habe, habe ich wochenlang Waggons aus Leipzig, Dresden und Berlin Ost ausgeladen und die blauen Quelle-Lastwagen beladen. Auch habe ich eine Schreibmaschiene besessen und beinahe 20 Jahre verwendet, die im Quelle-Versandhaus gekauft wurde und unter der leicht abnehmbaren Abdeckung „Made in GDR“ eingraviert war.
Nur Details, aber bezeichnend für eine Epoche. Man konnte Ausflüge unternehmen, nicht nur tageweise, sondern richtige „Urlaube“, die italienische Adria war noch etwas teuer, aber in Jugoslawien ließ es sich schon richtig gut leben. Da nahm man auch schon eine anstrengende Anreise auf Bundesstrassen in einem engen Fiat oder Käfer in Kauf.
In den 1960er Jahren bewegte die Mühlviertler Bevölkerung die Kulturbrüche, wie mir scheint, nur am Rande: die Studentenrevolution mit Rudi Dutschke und Daniel Cohnbendis war weit weg, Woodstock hat wahrscheinlich auch die wenigsten Mühlviertler vom Hocker gehoben. Schon spannender, weil näher, war der Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Oder die Mondlandung und die Siege des Boxidols Cassius Clay. Beides sah man sich auch zu nachtschlafener Zeit im Fernsehen an, denn aufregende Dinge passieren in den USA halt irgendwann am Nachmittag oder am Abend, wo bei uns dann noch nicht die Sonne aufgegangen ist.

Jetzt wird es persönlich:

Ich hatte damals einen Mittelwelleempfänger, mit dem ich regelmäßig Radio Luxemburg gehört habe. Die spielten die neuesten Schlager. Und dann kam Ö3, glasklar und ohne Rauschen auf Ultra-Kurzwelle und mit tollen Moderatoren und mit Sendungen, die Österreich bisher noch nie gehört hat. Hard-Rock, Sendungen aus dem mediterranem Raum mit dem „Poidinger“, und die legendären Jazzsendungen mit Walter Richard Langer. Oder französische Chansons.

Ich fahre 1970 mit Verwandten das erste Mal nach Jugoslawien, 1973 mit einem Interrail-Ticket nach Frankreich und Spanien und 1975 mit meinen Schulkolleginnen und -en und zwei Professoren auf Matuareise nach Griechenland. Nicht all-inklusiv sondern alles selbst erarbeitet: geschlafen wurden in Zelten und gegessen und getrunken in Landtavernen. Drei Wochen mit dem Bus auf Achse, von Athen nach Olympia, zu den Thermophylen und nach Delphi. Herrlich einfach und herrlich gut. Ein schöner Abschluss eines Lebensabschnittes und ein guter für den Beginn für einen neuen.

Der Rest der Zeit fällt unter den Oberbegriff „Alltagskultur und Alltagsgeschichte“. Uns allen sind die Veränderungen in Mode und Lebensweise bewusst. Beim Essen kam man über Erbsensuppe (unmittelbare Nachkriegszeit) Wiener Schnitzel, Tiramisou und Knäckebrot zum probiotischen Joghurt. Beim Wohnen durchliefen wir eine ähnliche Entwicklung: Linoleum, langzotteliger Teppichboden, Parkett, mondrichtig geschlägerter Schiffboden.

90 Jahre Mühlviertler Geschichte auf ein paar wenigen Blättern. Das kann wohl nicht alles sein. Ist es auch nicht. Jeder hat seinen eigenen eigenwilligen Zugang zu diesen 90 Jahren Oberösterreichischer Geschichte, die wir hier und heute auf die Mühlviertler und womöglich sogar auf die Freistädter Geschichte reduziert haben. Aber uns muss es bewusst sein , dass tagtäglich etwas in unserer unmittelbaren Umgebung passiert, das einmal Geschichte sein wird.






1Fritz Fellner, 1918 – ein Zeitzeugenbericht. Oberösterreichische Heimatblätter, 48. Jg. Heft 3, 1994.

Dienstag, 29. Januar 2008

Die Familie Thury in Freistadt



Die Familie Thury in Freistadt

Die Thury machten sich im Jahr 1739 in Freistadt ansässig. Damals heiratete der Kaufmann Johann Michael Thury aus Weistrach die Johanna Elisabeth Fuxtaller. Der Großkaufmann Josef Thury, auch ein Nachkomme dieses Johann Michael Thury, übernahm von seiner Schwiegermutter im Jahr 1802 das Haus Nr. 2. Seine Frau Eleonora starb 1813, 33 Jahre alt. 1820 heiratete er die Zwirnhändlerswitwe Rosina Osberger aus Neufelden.

Josef Thury sen. war von 1827 bis 1831 Bürgermeister der Stadt Freistadt.

Josef Thury jun. heiratete 1829 die Bräumeistertochter Katharina Krackowitzer aus Windhaag bei Freistadt. Er war von 1835 bis zu seinem Tod 1859, mit einer kurzen Unterbrechung 1848-1849, Bürgermeister in Freistadt. Thury besaß drei Hammerwerke in dem noch heute nach diesem Geschlecht benannten Thurytal. Vom Jahr 1840 war er auch Vertreter der sieben landesfürstlichen Städte bei den Landständen.

Seit mehr als 150 Jahren heißt das Tal der Aist nördlich von Freistadt Thurytal. Der einst mächtige Hammerwerksbesitzer Josef Thury hatte die Kraft des Wassers an drei Stellen zum Betrieb von Eisenhämmern ausgenützt. Die Wagen der Handelsherrn Thury fuhren bis Triest, Breslau und Krakau.

Der Name ist in Freistadt mit dem letzten männlichen Spross, dem Thury Pepi, dem seine Stammtischrunde den Spitznamen „Pury Thepi“ gegeben hatte, ausgestorben. Dieser war jedoch ein durchaus kluger und beliebter Groß- und Teilkaufmann, der sogar den Titel „Kammerlieferant Seiner kaiserlichen Hoheit Erzherzog Eugen“ hatte. Dieser Titel war ihm verliehen worden, weil er für den Erzherzog Salami, Käse, Kaffee und dergleichen lieferte, sooft sich dieses Mitglied des Kaiserhauses mit dem wallenden Federtschako zu Manöverzeiten oder zur Inspektion der kleinen Garnison im Konvikt einquartierte.


Quellen:

Freistädter Geschichtsblätter Heft 1, 1950.

Hilpert, Max: Geschichten aus dem Mühlviertel, Linz 1972.

Sonntag, 27. Januar 2008

Alltag und Leben 1945-1955 im Mühlviertel



Alltag und Leben im Mühlviertel 1945-1955


2001 wurde der Verein „Alltagskultur seit 1945“ u. a. vom Landesmuseum in Linz gegründet. Zweck ist es, dass die Zeit nach dem 2. Weltkrieg bisher schlecht dokumentiert war. Die Museen waren aufgerufen, sich auf diese Zeit zu konzentrieren.

In Freistadt hat man sich einer Zeit besonnen, die für die Bewohner eine sehr harte war: die Zeit der sowjetischen Besatzung im Mühlviertel. 10 Jahre lang war das Mühlviertel praktisch vom übrigen Land Oberösterreich durch eine Demarkartionslinie abgetrennt.

Die Ausstellung im Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt 2005 spiegelte diese Zeit in einigen Stationen:

  1. Die Sowjets als Besatzer, die Behörden (Ausweisflut)

  2. Sowjetische Propaganda im Mühlviertel, österreichisch-sowjetische Gesellschaft

  3. Mangelwirtschaft in der Nachkriegszeit: Bewirtschaftung von Lebens- und Genussmittel, Bewirtschaftung von Treibstoff, Mangel an Transportmittel

  4. Hamsterer und Schleichhändler

  5. Die Aussiedelung (Vertreibung) der Sudetendeutschen aus Südböhmen

  6. Aus Kriegsmaterial werden zivile Gebrauchsgegenstände gemacht, Ausstattung der Flüchtlingslager mit Überresten der Wehrmacht

  7. Sowjetische Zeitungen, die in der Freistädter Druckerei Plöchl gedruckt wurden

  8. Normalisierung in Haushalt, Freizeit und Alltag: Motorisierung der Küche, Radio, Plattenspieler, Fotoapparat, Puchroller.

Das Ausstellungsmaterial stammte neben den hauseigenen Objekten von privaten Leihgebern aus der Region. Die Objekte hatten daher einen regionalen Bezug. Hinter jedem Ding stand eine konkrete Geschichte. Daher konnte eine sehr lebendige Gestaltung erreicht werden.

Fester Bestandteil der Erinnerungen der Zeitzeugen sind auch optische und akkustische Bezüge: Längst vergessene Geschichten wurden lebendig: Erinnert wurde an die ersten Bälle, an das erste Volksfest in Freistadt, an die erste Urlaubsfahrt nach Italien, an die Sonntagnachmittage vor dem Radioapparat mit dem obligaten Wunschkonzert. Oder an die erste Maturareise nach dem Krieg mit dem offenen Wehrmachts-LKW des Lasinger Hansl.

Die Ausstellung ist auch ein zeitgeschichtlicher Baustein und ergänzt gut die großen Jubiläumsausstellungen in ganz Österreich. Ich habe mich natürlich auf einen engen regionalen Rahmen konzentriert.

Zur Ausstellung ist auch ein Begleitbuch mit dem Titel „Alltag und Leben im Mühlviertel 1945-1955“ erschienen. In diesem Buch wurden dann die vornhin angesprochenen Themen vertieft und erweitert. Es ist durchaus unveröffentlichtes Material, wie z. B. Die sogenannten „Renoldner-Protokolle". Alois Renoldner war im sowetisch besetzten Urfahr Gendarmeriebeamter und hat aus eigenem Erinnern und auch aus Gendarmerieberichten eine umfassende Sammlung angelegt. Darin geht es um die Kriminalität in den ersten Nachkriegsjahren und um die Schwierigkeiten, die die Gendarmerie mit den Besatzern und mit den Kriminellen hatte.

Einen guten Einblick geben zwei Tagebücher, die mir für dieses Buch aus zur Verfügung standen. Erstens, das Tagebuch des Freistädter Bäckermeisters Franz Röbl und zweitens das Tagebuch des Lehrers und zeitweise Vizebürgermeisters Hans Schmidhamer aus St. Oswald bei Freistadt. Über 90 Abbildungen, auch hier durchwegs Erstveröffentlichungen, ergänzen die Berichte.

Auch konnte ich auf eine Diplomarbeit, die erst vor ein paar Monaten erschienen ist, zurückgreifen. Der Autor Andreas Praher hat einige Kapitel seiner Arbeit für das Buch ausgesucht. Sie sind eine gelungene Ergänzung und Abrundung der Thematik.

Das Buch ist auch eine Ergänzung zu meinem vor 10 Jahren erschienenen Chronikband über das Jahr 1945. Es schließt praktisch nahtlos an, sodass für das Mühlviertel eine sehr dichte Dokumentation über die Nachkriegszeit vorliegt.

Wer Interesse an dieser Publikation ("Alltag und Leben im Mühlviertel) hat schicke bitte eine Email an den Autor: zeitgeschichte@gmx.at. Preis: € 19,90.


Das Buch "Mühlviertel 1945 - eine Chronik" ist zum Preis von € 24,90 in wenigen Exemplaen noch vorhanden. (Bestellungen und Anfragen an: zeitgeschichte@gmx.at)


Bei Postversand kommen noch die Versand- und Verpackungskosten in der Höhe von € 4,90 dazu.








Mittwoch, 16. Januar 2008

Gemeinsame Geschichte Mühlviertel-Südböhmen


Geschichte Böhmens/Mühlviertel

(Fritz Fellner, Freistadt)


Vorgeschichtliche Zeit

Die vorgeschichtlichen Fundkarten geben nicht immer genaue Auskunft über die Besiedelungsentwicklung eines Landstrichs. Es ist durchaus möglich, dass auf fundleeren Stellen durchaus eine prähistorische Besiedelung erfolgte. Der Nachweis ist jedoch schwer oder gar nicht zu erbringen. Zu diesen praktisch fundleeren Gebieten gehören auch das nördliche Mühlviertel und große Teile des Böhmerwaldes. Man hat hier undurchdringliche Waldgebiete vermutet, Barrieren, die der Mensch der Frühzeit nicht betreten hat. Aber schon Forscher in den 1930er Jahren haben einen wenn auch zögerlichen Kulturaustausch zwischen dem Donau- und Moldaugebiet nachgewiesen, der nur durch das Mühlviertel und den Böhermwald erfolgt sein kann.


Eiszeit (bis etwa 10.000 v. Chr.)

Der ältesten Funden stammen aus dem beginn der letzten Eiszeit aus der Gegend um Krumau, Aus Kaplitz liegen Anhaltspunkte vor, dass während der Eiszeit sich dort Jäger aufgehalten haben. Möglicherweise stammten diese aus dem Donautal, da man sowohl in Linz als auch in Mauthausen ähnliche Aktivitäten nachweisen konnte.


Jüngere Steinzeit (3.500-1800 v. Chr)

Steinbeile als Einzelfunde wurden entdeckt. Man kann aber nicht genau feststellen, ob diese Menschen Durchzügler, Jäger oder schon ansässige Bauern waren. Südlich des Böhmerwaldes wurden an einigen Orten Steinbeile aus dieser Zeit gefunden:

Haslach

Hinterschiffl

Bad Leonfelden

Windgföll

Etliche haben auf böhmischer Seite eine Entsprechung:

Goldenkron

Holubau

Kaplitz


Bronzezeit (1800-800 v. Chr.)

Aus dieser Epoche lassen sich schon leichter so genannte „Verkehrszangen“ nachweisen. So haben wir ein Bronzeschwert aus Afisl, eines aus Helfenberg und als Pendant zwei von der Höhe, auf der heute die Ruine Wittinghausen steht sowie eine aus Schwarzbach-Suben. Ein eindeutiger Beweis, dass ein Übergang aus dem Mühlviertel in das Moldautal bestanden hat. Das waren alles Depotfunde.

Weitere Funde: eine bronzene Lanzenspitze aus Aigen-Schlägel und natürlich das Messer aus Freistadt. Das könnte beweisen, dass es im Mühltal und über den Kerschbaumer Sattel bronzezeitliche Übergänge gegeben hat. Interessant ist auch der Bronzebarrenfund im Wald bei Kalsching, der ein sicherer Hinweis auf eine rege Handelstätigkeit ist.


Hallstattzeit/Latenezeit (800-15 v, Chr.)

Aus dieser Zeit gibt es im Bereich um Krumau etliche Grab- und Siedlungsfunde, die aber auf Mühlviertler Seite keine Entsprechung haben. Sie reichen aber auch weit in die Latenezeit hinein, was wahrscheinlich mit dem Konservatismus der Bewohner in Zusammenhang steht. Aus dieser Zeit konnten auch die ersten Burgen oder befestigte Ansitze gefunden werden (in der Nähe von Bergreichenstein und Krumau-Holubau aus der säten Latenezeit). Wie haben diese ausgesehen? Auf einem natürlichen, schwer zugänglichen Geländeteil wurde eine kleine Ansiedelung mit Erd. und Pallisadenwällen umgeben. Diese Befestigungen hatten die Funktion einer Fliehburg. Bei Gefahr konnten die Bewohner der Umgebung hier Schutz suchen. Eine besondere Konzentration von Funden stammt aus der späten Latene-Zeit, die hier nach einem Fundort auch Stradonitzer Kultur genannt wird. Diese dauerte bis in 1. nachchristliche jahrhundert. Das Oberösterreichische Pendant ist die latenezeitliche Burg auf dem Gründberg bei Linz. Diese Funde beweisen, dass der Haselgraben eine frühzeitliche Verbindung darstellte. Auch die Route über den Kerschbaumer Sattel war bereits in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten begangen. Wissenschaftler sehen als Pendant zur Lateneburg bei Kaplitz die befestigte Anlagen in der Pernau bei Neumarkt.


Besiedelung in historischer Zeit


Die ersten Seidlungsformen sind die sog. Haufendörfer. die aber im Mühlviertel nur am Südrand gegen die Donau anzutreffen sind. Historiker legen ihre Entstehung in das 6.- 8. Jhdt. Diesen folgen die Straßendörfer und in der Folge die Kirchensiedlungen. Die Kirche nimmt in diesem Fall den höchsten Punkt ein, die Häuser ordnen sich rundherum an . Im 11. Jhdt. erfolgte die Anlage von Angerdörfern mit Längs-, Linsen- oder Dreiecksanger. Im 12. Jhdt. und danach werden sog. Waldhufendörfer angelegt, besondere Verbreitung fanden sie im nördlichen Mühlviertel und im äußersten Südböhmen. Diese Ortschaften enden meist mit -sachlag, -felden, -berg oder -bach.

Als Entwicklungsende sind die Kleinstsiedlungen mit vier bis neun Häusern anzusehen, die meist in Spätrodungsgebieten entstanden sind. Ihre Namen enden mit -ling oder ödt. Die Orte Freistadt und Krumau sind von dieser Entwicklung nicht betroffen, da beide ja als urbs condita gelten.


Südböhmen ist bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt worden. Eine richtige Siedlungstätigkeit mit geplantem Vorgehen sind seit dem letzten Viertel des 12. Jahdts. nachweisbar. Wesentlich beteiligt daran waren die Klöster. Witiko, der Stammvater der Witigonen, lebte auch in dieser Zeit. Angeblich hat dieser im Mühlviertel Besitzungen gehabt, u. z. bis zum Oberlauf der Maltsch, dann aber auch in Mittelböhmen und einigen Streubesitz. Diese Herrscherfamilie hatte dann auch im Anschluss großen Einfluss auf dem Hof König Ottokars. Für Südböhmen und die Besiedelung waren aber zwei Institutionen wesentlich verantwortlich: einerseits die beiden Klöster Hohenfurt und Goldenkron und die Familie der Rosenberger. Die Rosenberger zählten zu den bedeutendsten, ältesten, edelsten und einflußreichsten böhmischen Adelsgeschlechtern und ihre Mitglieder übten Ämter am königlichen oder reichskaiserlichen Hof aus, und schrieben sich auf diese Weise oft nachdrücklich in die Geschichte des böhmischen Staates ein. Das Wappen dieses adeligen Geschlechts stellt eine rote fünfblättrige Rose im silbernen Feld dar, die wir bis heute in einem beträchtlichen Teil des gerade von den Rosenbergern beeinflußten Südböhmens antreffen.



Mit dem Untergang des Großmährischen Reiches unter Svatopluk um 900 und der Herrscherzeit des Geschlechts der Premislyden begann die Geschichte des böhmischen Staates. Das frühe 10. Jahrhundert ist die Zeit des Königs und Märtyrers Václav (Wenzel), der zum Landes- und Schutzpatron Böhmens erhoben wurde. Seit dem 13. Jahrhundert waren die böhmischen Könige deutsche Reichsfürsten mit einer bedeutenden politischen Stellung im römisch-deutschen Reich. Gefördert von den Premislyden (Ottokar II., 1253-1278) fassten zu dieser Zeit Deutsche Fuß in Böhmen und die Ostkolonisation begann. Der böhmische König hatte deutsche Bauern, Handwerker und Bergbauspezialisten zur Kultivierung und Rodung der Landschaft in die waldreichen Randgebiete des Landes geholt. Als Mittelpunkt von Handwerk und Handel entstand eine Reihe deutscher Städte und Märkte, Böhmen wurde zweisprachig.


Nach dem Aussterben der Premislyden im Jahr 1306 brach unter Kaiser Karl IV. (1346-1378) aus dem Hause Luxemburg eine Blütezeit Böhmens an. In Prag wurde die erste mitteleuropäische Universität (1348) gegründet. In der Kaiserstadt entstanden die Karlsbrücke und der St.-Veits-Dom. Anhänger der Reformbestrebungen von Jan Hus (1370 - 1415) revoltierten zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegen die reiche Kirche und den allmächtigen Adel. Sie wollten eine Beteiligung des Bürgertums am politischen Leben durchsetzen. Während der Hussitische Feldzüge, die auch das böhmische Grenzgebiet heimsuchten, wurden Tausende von Dörfern vernichtet.


Nach der Schlacht bei Mohacs 1526 fallen Böhmen und Ungarn an Österreich. Am 23. Okt. 1526 wird Ferdinand I. zum böhmischen König gewählt. Am 1. Jän. 1527 erließ König Ferdinand die Hofstaatsordnung. Durch sie wurde eine Zentralverwaltung geschaffen, die praktisch bis 1848 hielt. Österreich, Böhmen und Ungarn wurden dadurch enger zusammengeschlossen. Böhmen blieb nun bis 1918 ein Tei der Donaumonarchie. Diese war kein Einzelstaat, sondern immer eine Staatenverbindung, dessen oberste Klammer immer der Kaiser war. Das Zusammenleben wurde durch ein strammes Verwaltungssystem geregelt.


Mit dem Prager Fenstersturz begann im Jahr 1618 der Böhmische Aufstand, der mit der Niederlage des ständischen Heeres in der Schlacht am Weißen Berg endete. Als Prolog zum Dreißigjährigen Krieg siegte der Absolutismus über die adeligen Stände und der Katholizismus über den Protestantismus. Mit der Niederlage am Weißen Berg verlor der böhmische Staat seine Selbständigkeit an die Habsburger. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) verlor Böhmen etwa ein Drittel seiner Bevölkerung. Das 17. Jahrhundert wird in der tschechischen Geschichtsschreibung unter nationalen, habsburg- und kirchenfeindlichen Gesichtspunkten als eine Epoche der Dunkelheit (tschech.: "temno") bezeichnet, v.a. für die bäuerlichen Grunduntertanen, die sich in einer Welle von Aufständen gegen wachsende Robotverpflichtungen erfolglos wehrten.


Die florierende Wirtschaft schuf im 19. Jahrhundert die Voraussetzung für die Herrschaft des Bürgertums. Bürgerliche Kreise setzen sich mit den Ideen von Goethe und Herder auseinander und rezipierten das demokratische Gedankengut der französischen Aufklärung. So bildete sich erstmals eine Art Nationalgefühl heraus. Dieser Prozess wurde als "nationale Wiedergeburt" (tschech.: "obrození") bezeichnet. Damit kam auch der ausgeprägte Antagonismus zwischen Deutschen und Tschechen zum Tragen, der sich bereits andeutete, als Josef II. Deutsch zur alleinigen Amts- und Kultursprache in den Böhmischen Ländern erheben wollte und in der tschechischen Bevölkerung auf heftigen Widerstand stieß. Bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 bildeten die Tschechen in der Donaumonarchie, die durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich in zwei Teile zerfallen war, eine Art Staat im Staate. Sie verfügten über wirksame Herrschaftsinstrumente und eine funktionierende Nationalwirtschaft. Außerdem förderten sie ein national orientiertes Kulturleben.

Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel die österreichisch-ungarische Habsburgermonarchie, so dass 1918 die Erste Tschechoslowakische Republik mit T. G. Masaryk als Präsidenten gegründet werden konnte. Nach 300jähriger Zwangspause hatten die Tschechen die staatliche Souveränität wiedererlangt. Die Deutschen in Böhmen galten jetzt als potentielle Staatsfeinde und nicht mehr wie in den Jahrhunderten zuvor als Teil der böhmischen Nation. Die Erste Tschechische Republik war ein aus dem österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat erwachsener Nationalitätenstaat, in dem die Nationalitätenprobleme ungelöst blieben. Die Deutschen konzentrierten sich als größte Minderheit neben Magyaren, Polen, Ukrainern im sogenannten Sudetenland. An die Stelle von Wien als kulturellem und politischen Gravitationszentrum trat für die Tschechen Prag. Den Deutschen in den sudetendeutschen Randgebieten fehlte ein solcher Integrationspunkt für ihre politische und kulturelle Identität, was den Erfolg der "Sudetendeutschen Partei" (SdP) Konrad Henleins (vorher "Sudetendeutsche Heimatfront" SHF) erklärt. 1935 vereinigte sie bei den Parlamentswahlen zwei Drittel der sudetendeutschen Stimmen auf sich.

1938 errang die "Sudetendeutsche Partei" bei den Gemeindewahlen als stärkste deutsche Partei in der Tschechoslowakei 90% aller deutschen Stimmen. Im gleichen Jahr wurde die Zweite Tschechoslowakische Republik, die sich auf die tschechisch besiedelten Gebieten beschränkte, ausgerufen. Und das Münchner Abkommen verfügte die Angliederung der deutsch besiedelten Randgebiete an das Deutsche Reich. 1939 wurde die Slowakische Republik schließlich unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt und das Protektorat Böhmen und Mähren gegründet.


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tschechoslowakei unter kommunistischem Einfluss wieder hergestellt. Der endgültige Wandel vom bürgerlich-demokratischen Staat zur Volksdemokratie vollzog sich aber erst mit dem Wahlsieg der Kommunistischen Partei 1948. Unmittelbar nach Kriegsende begann die gewaltsame, seit 1946 organisierte Vertreibung (tschech.: "odsun" = "Abschiebung") von über drei Millionen Deutschen. In den Folgejahren gingen die meisten Industriebetriebe in Staatsbesitz über und die Landwirtschaft wurde kollektiviert. Nicht-kommunistische Parteien waren in den Verfassungen von 1948 und 1960 nominell verankert, nach sowjetischem Vorbild lag die Staatsmacht jedoch allein in der Hand der Kommunistischen Partei. Die Verfassung von 1960 gab der CSR den Namen einer "Sozialistischen Republik" CSSR. Der Beitritt der Tschechoslowakei zum Warschauer Pakt im Jahr 1955 beendete formal die Selbständigkeit des zuvor bereits nach dem Muster der Roten Armee organisierten Militärs.


Im Prager Frühling (1968) wurden Öffnung und Reform der kommunistischen Partei (Demokratisierung) diskutiert. Nach dem gewaltsamen Ende der Freiheitsbewegung durch den Einmarsch der Roten Armee in Prag "normalisierten sich die Verhältnisse" jedoch rasch wieder unter sowjetischer Kontrolle. Die Krise des Jahres 1989 wurde von zahlreichen Strömungen vorbereitet, die gemeinsam die politische Führung untergruben (z.B. die "Charta 77" und ihre Forderungen nach Meinungsfreiheit). Die Situation eskalierte im Zusammenhang mit der sowjetischen "perestrojka", der Massenflucht aus der DDR über Ungarn und der spontanen Solidarität der tschechischen Bevölkerung beim Zusammenbruch der Kommunistischen Partei. Als Václav Havel im Dezember 1989 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, gewannen in der "Samtenen Revolution" (tschech.: "nežná revoluce") am Westen orientierte sozial-politische Strukturen die Oberhand in der Tschechoslowakei. Nationalistische Bestrebungen in der Slowakei führen schließlich im Januar 1993 zur offiziellen Trennung beider Landesteile in eine Tschechische (CR) und eine Slowakische Republik (SR).


Sonntag, 13. Januar 2008

Projekt: Freistädter Genealogien

Projekt: Freistädter Genealogien

Ein ehrgeiziges Projekt ist die Erfassung genealogischer Daten der Bewohner Freistadts aus vergangenen Jahrhunderten. Derzeit existieren zwei Datenbanken mit etwa 30.000 files, die nur in wenigen Fällen Überlappungen aufweisen. Die Eintragungen werden im Programm Gramps unter dem Betriebssystem Linux verwaltet.

Sollten Sie biografische Daten zu Freistädter Bewohnern aus früheren Jahrhunderten haben, bitte teilen sie mir diese mit, damit ich die Daten abstimmen kann.